2024 Afrika - Entlang der Westroute / Marokko (1)
Langsam aber sicher geht der heimatliche Spätsommer in den Herbst über und die trübe Jahreszeit hält Einzug. Etwas mehr als fünf Monate waren wir nach unserer letzten Überwinterungsreise, die uns auf die griechische Insel Kreta führte, zuhause in Neckarsulm. Hauptsächlich verbrachten wir dabei viel Zeit mit Hajos Mama und ihrem Lebenspartner. Beide sind altersbedingt und gesundheitlich sehr angeschlagen und auf zusätzliche Hilfe und Unterstützung angewiesen. Leider verstarb Anfang September Hajos Mama.
Sofern es die Gegebenheiten zuließen, unternahmen wir auch während dieser Zeit immer wieder kürzere Touren. Nach dem Besuch der "Abenteuer & Allrad" in Bad Kissingen, bereisten wir noch für mehrere Tage mit "Allradfreunden" das Frankenland. Weitere Kurzreisen gingen in die Eifel, auf die Schwäbische Alb, ins Sauerland sowie zu Freunden ins benachbarte Österreich. Sofern das Wetter und die Zeit es zuließen, hielten wir uns mit Schwimmen im heimischen Freibad fit. Ganz nebenbei legten wir noch einen Teil unseres Gartens neu an. Den Rest davon brachten wir wieder soweit auf Vordermann, dass er zum Reisestart als "Winterfest" gilt.
Doch jetzt ist es wieder soweit, Deutschland den Rücken zu kehren – der Winter rückt näher. Für die nächsten Monate haben wir uns auf die nordwestlichen Länder des afrikanischen Kontinents vorbereitet. Dabei wollen wir, der s.g. "Westroute" folgend, immer weiter nach Süden fahren. Bis wohin diese Reise gehen wird, können wir heute noch nicht sagen. Ob wir dann wieder nach Europa zurückfahren oder zurück verschiffen oder vielleicht auch ganz durchfahren oder gar ins südliche Afrika verschiffen, steht alles noch in den Sternen – momentan sind wir für alle Optionen offen. Also schauen wir mal, was uns Die Westroute so alles zu bieten hat.
An viele Dinge musste vor unserer Abreise noch gedacht und ggf. geklärt werden. Notwendige Impfungen wurden aufgefrischt, eine Langzeit Reiseversicherung abgeschlossen und auch die Fahrzeugversicherung wurde an die vorgesehenen Reiseländer angepasst. Ebenso ließen wir unserem Fahrzeug über die Sommermonate eine höhere Aufmerksamkeit zukommen. U.a. wurden sämtliche Öle gewechselt, die Starterbatterie ersetzt sowie diverse Kleinreparaturen erledigt. Kurz vor Reisebeginn installierten wir uns noch an der Front des Iveco eine Seilwinde.
Nachdem dies alles sowie noch weitere Dinge erledigt waren, stand unserem Start in Richtung Afrika nichts mehr im Wege.
Bei ungemütlichem Schmuddelwetter und Dauerregen lassen wir Neckarsulm hinter uns und fahren bis nahe Laupheim. Dort wohnt unsere Tochter Linda, mit der wir nochmals einen gemütlichen Abend verbringen. Am nächsten Tag besuchen wir gemeinsam das "Erwin Hymer Museum" in Bad Waldsee. Auf mehreren Ebenen können wir die unterschiedlichsten Campingfahrzeuge von Beginn an des mobilen Reisens bis heute bestaunen. Jedes der ausgestellten Exemplare hat eine ganz besondere Geschichte zu erzählen.
Dann heißt es für uns endgültig Abschied nehmen – vielleicht gibt es ja Ende des Jahres ein Wiedersehen in Marokko.
Von Meersburg aus nehmen wir die Fähre, die uns in gerade Mal 20 Minuten über das "schwäbische Meer" nach Konstanz bringt. Direkt am Auslauf des Rhein finden wir einen netten und vor Allem aber einen ruhigen Stellplatz für die anstehende Nacht.
Am darauffolgenden Tag geht es durch die Schweiz. Wieder müssen wir für die Durchfahrt die s.g. "Schwerlastabgabe" entrichten, worauf die Eidgenossen natürlich peinlichst genau achten.
Nach dem "Vierwaldstättersee" und dem knapp 17km langen "Gotthard Tunnel" bessert sich auch so langsam das Wetter wieder.
Bei Libarna verlassen wir die Autobahn und entscheiden uns für die schmalen Sträßchen durch die nordwestlichsten Ausläufer des "Apennin" Gebirges. Auf dem 774m hohen „Passo della Bocchetta“, mit Blick auf Genua, schlagen wir ein letztes Mal in Italien unser Nachtlager auf. Zuvor vertreten wir uns noch die Füße hoch auf die "Forte di Gavi", die über dem gleichnamigen Örtchen thront.
Im Hafen von Genua geht alles recht flott. Einchecken, einreihen und kurz darauf die Fähre befahren. Für die nächsten zwei Tage beziehen wir unsere Kabine – die Zeiten der Pullmannsitze oder gar mit Schlafsack auf den Gängen liegen sind endgültig vorüber ;-)
Die 2-tägige Überfahrt verläuft sehr ruhig und entspannt – würden diese Variante der Anreise nach Marokko jederzeit wiederholen.
Nach einem kurzen Stopover in Barcelona, erreichen wir überpünktlich den Hafen von Tanger Med in Marokko. Das Ausschiffen verläuft allerdings sehr unkontrolliert. Es scheint, als wären die Verantwortlichen mit dem extrem hohen Fahrzeugaufkommen hoffnungslos überfordert. Selbiges gilt auch für die Mitarbeiter des marokkanischen Zolls. Obwohl auf dem Schiff bereits die Passkontrollen und die Deklaration der Fahrzeuge erledigt wurden, verläuft die Einreise äußerst zeitraubend. Nach fast zwei Stunden sind aber auch wir endlich durch und können das Hafengelände verlassen – jetzt kann es los gehen.
Zunächst geht es an Ceuta vorbei. Die von einem hohen Erdwall mit vielen Wachtürmen umgebene und von Spanien verwaltete Enklave, ähnelt heute allerdings eher einem Hochsicherheitstrakt als einem typischen spanischen Städtchen. Unseren ersten Übernachtungsplatz auf dem afrikanischen Kontinent, finden wir an einem Strandparkplatz entlang des Promenade Boulevards bei Fnideg. Der nächste Morgen empfängt uns gleich mit einem Sonnenaufgang wie aus dem Bilderbuch.
Als erstes reduzieren wir den Reifendruck unserer Räder und der Iveco wird vollgetankt. Angesichts eines Dieselpreises von etwa €1,12 pro Liter, umgibt das Schwabenherz eine wohltuende Wärme. Danach besorgen wir uns noch eine marokkanische SIM-Karte. Auch dabei müssen wir nicht so tief in die Tasche greifen, wie wir ursprünglich gedacht hatten.
Schon mal in Tétuan, schauen wir uns die Stadt auch etwas genauer an. Unmittelbar an der Stadtmauer zur "Medina" parken wir unser Fahrzeug. Von hier aus schlendern wir durch die vielen verwinkelten Gassen, die uns mit ihrem engen Nebeneinander von Wohnen, Handwerk und Handel fasziniert. Seit dem Jahr 1997 ist die Medina auch als Weltkulturerbe der UNESCO anerkannt.
Nachdem wir die "Weiße Stadt" Tétouan wieder verlassen haben, folgen wir ein kurzes Stück der Mittelmeerküste gen Osten.
Bei Qued Laou geht es ins „Rif Gebirge“ hinein. Dieser Gebirgszug erstreckt sich über etwa 350km, von Ceuta aus entlang der marokkanischen Küste. Die gesamte Region ist teilweise schwer zugänglich und nur dünn besiedelt. Sein höchster Gipfel erreicht immerhin 2.455m. Nach wie vor gilt das „Rif Gebirge“ und seine Umgebung als das weltweite größte Anbaugebiet von „Cannabis“.
Auf kurvigen und kaum frequentierten Straßen, erreichen den „Talassemtane Nationalpark“. Die Landschaft um uns herum wird immer zerklüfteter und das Fahren ist eine wahre Freude. Uschi und Herrmann würden sagen "...wie in Amerika, nur etwas kleiner".
Eine ausgedehnte Wanderung führt uns zu den „Wasserfällen von Akchour“. Über mehrere Kaskaden fließt das Wasser des „Qued Farda“ aus dem Tal hinaus. Zuvor besuchen wir in einem Paralleltal die „Gottesbrücke“, ein ca. 70m hoher natürlicher Steinbogen.
Die folgenden Tage werden wir auf einem netten Campingplatz, oberhalb von Chefchauen verbringen. Zum einen wollen wir einfach mal richtig in Marokko ankommen und zum anderen gibt es am Iveco ein paar Kleinigkeiten zu erledigen.
Über viele enge Serpentinen des "Rif Gebirge" schraubt sich die schmale Straße von Akchour aus, auf fast 600m nach Chefchauen hinauf. Leider ist es etwas frisch und regnerisch geworden und die umliegenden Berge sind in dichten Wolken gehüllt.
Auf dem Campingplatz herrscht ein reges Kommen und Gehen. Unsere Nachbarn aus Venezuela sind mit einem für uns noch recht vertrauten Fahrzeug auf Reisen – ein Käfer aus dem Jahre 1971, Hut ab. Nachdem sich am Nachmittag die Sonne durchgekämpft hat, machen wir uns auf den Weg in die Stadt. Ein relativ kurzer Fußweg führt vom Campingplatz aus direkt hinunter in die "Medina".
Die gesamte "Medina" mit ihren reizvollen engen Gassen, kleinen Plätzen sowie den blau- und weißgetünchten Häusern lädt zum spazieren gehen und bummeln ein – die blaue Farbe soll angeblich vor den bösen Blicken schützen.
Am späten Nachmittag gehen wir in einem netten Restaurant in der Medina noch traditionell marokkanisch essen – es gibt "Tajine".
Übrigens: Zusammen mit anderen Regionen des Mittelmeerraumes ist die traditionsreiche Küche der Stadt Chefchauen im Jahr 2013 als "Immaterielles Kulturerbe" der Menschheit durch die UNESCO anerkannt worden – auch interessant.
Unmittelbar nach dem mittäglichen Freitagsgebet, versammelt sich ein Teil der Moscheebesucher zu einer spontanen Demonstration gegen den momentanen Nahost Konflikt. Die skandierten Parolen und die Flaggen lassen keinen Zweifel, wie hier die Meinung ist.
Wir wollen wieder an die Mittelmeerküste und wählen hierfür die Hauptroute durch das „Rif Gebirge“. Dass wir dabei jedoch mitten durch das weltweit größte Anbaugebiet für Cannabis fahren, ist uns allerdings nicht bewusst. Auf beiden Seiten der Straße sehen wir riesige Cannabisfelder, die bereits geerntet wurden oder kurz vor der Ernte stehen. Ohne zu wissen mit was sie eigentlich hantieren, wenden Kinder die geernteten Büschel in der Sonne zum Trocknen. Viele Hausdächer sind grün, da auch dort getrocknet wird. All dies wäre uns sicherlich egal, wenn da nicht die Einheimischen in einer extrem aufdringlichen und aggressiven Art und Weise uns zum Erwerb ihrer Ernte nötigen würden. Nicht nur vom Straßenrand aus wird uns das Zeug angeboten. Selbst aus überholenden Fahrzeugen heraus geschieht dies. Der Höhepunkt ist allerdings, dass uns ein Fahrzeug über längere Zeit verfolgt, mehrfach überholt und uns ständig zum Anhalten bewegen möchte. Wir sind einfach nur erleichtert und fühlen uns wohler, nachdem wir diese Region wieder hinter uns haben.
So ganz nebenbei erleben wir aber auch tolle Landschaften mit dichten Eichenwäldern und einem faszinierenden Bergpanorama, gespickt mit serpentinenreichen Straßen – das sollte an dieser Stelle trotzdem erwähnt sein.
In El Jebha treffen wir wieder auf die Rochade (die Küstenstraße). In der Meinung einem tollen Nachtplatz am Strand gefunden zu haben, werden wir von zwei Militärangehörigen wieder weggeschickt. Äußerst freundlich entschuldigen sie sich dafür und weisen uns auf weiter östlich liegende Strände hin. Auf der Rückfahrt zur Küstenstraße sehen wir auch den Grund dafür – das gesamte Tal besteht fast nur aus Cannabisfeldern. Kurz darauf werden wir in einer Bucht, unterhalb der Festung von Torres de Alcalaa fündig.
Tags darauf besuchen wir die Festung. Zu Beginn geht es durch einen üppigen Eukalyptuswald und danach steil bergauf. Leider hat sich auch an der marokkanischen Mittelmeerküste der Eukalyptus sehr stark verbreitet. Oben angekommen erhalten wir zu beiden Seiten der Küste einen fantastischen Rundumblick. Sehr gut ist zu erkennen, wie steil das „Rif Gebirge“ zum Mittelmeer hin abfällt.
Hier verweilen wir ein paar Tage und genießen das sommerliche Wetter. Das Wasser in der Bucht gleicht eher einem Ententeich. Daher bietet es sich an, unser SUP zum ersten Mal in Einsatz zu bringen. Die ersten Versuche fühlen sich noch etwas wackelig an, doch so nach und nach kommt Routine auf. Immer mehr können wir die Balance halten und so den Sprung ins Wasser vermeiden.