2012/2013 USA - ...unser Prescott und die nähere Umgebung
Wir haben unser Winterquartier gefunden. Es liegt etwa 15 Minuten oberhalb von Prescott in den Bergen auf etwa 2.000 Höhenmetern. Zu erreichen ist es über eine wunderschöne Straße, den sogenannten „Senator Highway“. Vorbei am „Goldwater Lake“ geht es durch den größten zusammenhängenden „National Forest“ von Arizona. Der Ort heißt Groom Creek und besteht aus einer Ansammlung mehrerer Häuser und Blockhütten die sich weit verstreut im Wald befinden. Die meisten dieser Häuser dienen als Feriendomizile reicher Städter die im Sommer der Gluthitze von Phoenix entfliehen wollen. In früheren Jahren waren dies zumeist Senatoren, die diesen paradiesischen Flecken für sich in Anspruch nahmen. Aus dieser Zeit stammt auch noch der Name der Straße die hier hochführt.
Nachdem uns die Schlüssel ausgehändigt wurden, decken wir uns mit reichlich Vorräten für die nächste Zeit ein. Oben angekommen, inspizieren wir unsere Hütte auf das Genaueste. Es ist mit allem ausgestattet was man zum Leben braucht: 4 Zimmer, Küche, Bad, Klo, einem offenen Kamin, mehreren Grills und ganz viel Gegend drum herum. Dazu kommt, dass das gesamte Areal eingezäunt ist – sehr zur Freude unserer Meri. Wir beginnen gleich damit den James aus- und das Haus einzu-räumen. Linda bezieht das Zimmer unter dem Dach und richtet sich mit sehr viel Leidenschaft ein. Lange sitzen wir an diesem Abend noch auf unserem Balkon und genießen die wohltuende Stille um uns herum und realisieren so ganz langsam, dass wir jetzt wirklich angekommen sind.
Auf der Suche nach einer Schule für Linda werden wir sehr schnell fündig – es ist die "Willow Creek Charter School" in Prescott. Eigentlich sind wir auf alles vorbereitet was uns so erwarten könnte. Nur damit, dass Linda schon eine Stunde später in ihrer neuen Klasse sitzen sollte, haben wir nun überhaupt nicht mit gerechnet. Theresa, die Rektorin, empfängt uns mit einer ausgesprochenen Freundlichkeit. Nach einem netten Gespräch sowie einem Anruf beim zuständigen Schulamt in Phoenix, steht einem Besuch dieser Schule nichts mehr im Wege. Von nun an hat Linda vier Mal die Woche von 8-16 Uhr Unterricht – Freitags sie frei. Das kommt uns in so weit entgegen, dass wir an diesen Tagen „deutsche Schule“ Zuhause ansetzen oder längere Wochenendreisen unternehmen können. Schon ab dem zweiten Schultag fährt Linda mit dem Schulbus zur Schule – ist natürlich wesentlich cooler als von den „Alten“ zur Schule gebracht und wieder abgeholt zu werden.
Wir haben in Erfahrung gebracht, dass man mit einem sogenannten „Firewood Permit“ im National Forest eine bestimmte Menge an Feuerholz für den Eigenbedarf schlagen und sammeln darf. Im Büro des „National Forest Service“ erhalten wir diese begehrte Genehmigung. Von nun an dürfen wir unser eigenes Feuerholz machen. Allerdings ist die Menge auf 4 Court, das etwa 14m³ entspricht, begrenzt. In den folgenden Wochen fahren wir immer wieder in den Wald und bekommen so unser Feuerholz für den anstehenden Winter zusammen. Mit einem sehr hohen Spaßfaktor an der Feuerholzaktion wächst unser Holzstapel hinterm Haus Zusehens.
Da es hier oben im Winter ganz ordentlich Schnee geben kann, machen wir uns auf die Suche nach einem weiteren Fahrzeug. Dabei halten wir Ausschau nach einem 4x4 um auch unseren James über die Wintermonate etwas zu schonen. Schnell werden wir in Prescott fündig und ein Ford Explorer 4x4 geht in unseren Besitz über. Nun haben wir ein typisch amerikanisches Fahrzeug für unseren täglichen Einsatz und der Fahrspaß ist auch garantiert – ein Sechszylinder Automatik SUV mit über 200 Pferdestärken unter der Haube.
Prescott selbst ist eine gemütliche Kleinstadt und liegt so ziemlich genau zwischen Phoenix im Süden und dem Grand Canyon im Norden. Das hat im Winter den Vorteil, dass wir in weniger als zwei Stunden in Phoenix die Wärme genießen können oder in der gleichen Zeit bei Flagstaff auf der Skipiste stehen. Das Städtchen wird auch als „Mile City“ bezeichnet, da der Ortskern auf etwa 1.650 Höhenmeter liegt. In der näheren und weiteren Umgebung der Stadt sind außer Wälder, Weiden und ein paar Seen kaum etwas anderes zu finden. Alles in Allem geht es in Prescott recht gemütlich zu. Im Zentrum befindet sich die „Whisky Row“, wo die örtliche Kneipenszene zu finden ist. Samstags wird regelmäßig ein Farmers Markt veranstaltet. Hier bieten die Farmer aus der näheren Umgebung ihre Produkte zum Kauf an. Ebenso werden wir Mitglied im ortsansässigen YMCA. Dadurch haben wir zu jeder Zeit die Möglichkeit, das Hallenbad und die Fitnessräume uneingeschränkt benützen zu können.
In Lindas Schule beginnen die Vorbereitungen auf Halloween. Jedes Kind kann einen Kürbis nach eigenen Vorstellungen gestalten, der dann in der Schule prämiert wird. Selbstverständlich macht auch Linda mit. Für ihr "furchtvolles" Kunstwerk erhält sie einen Preis und schon am Abend ziert dieser Kürbis unsere Eingangstür am Haus.
Es ist Mitte November und Lindas Geburtstag steht an. Sie erhält viele Anrufe von Zuhause und von Freunden hier im Land. Für den Nachmittag hat sie sich ein paar Freundinnen aus ihrer Schule eingeladen und die Mädchen haben sehr viel Spaß zusammen. Für gewöhnlich wird ein Kindergeburtstag in den USA in einer von den unzähligen Fast Food Lokalen gefeiert oder man lässt sich Pizzen liefern. Wir gestalten Lindas Festtag allerdings typisch deutsch. Es gibt selbstgebackenen Kuchen und am Abend panierte Schnitzel mit Kartoffelsalat – und siehe da, es schmeckt allen Gästen.
Auch in Prescott hat die Weihnachtszeit begonnen. Rund um das „Court House“ sind sämtliche Bäume festlich geschmückt und es findet sogar eine „Chrismas Parade“ statt. An vielen Häusern sind bunte und blinkende Lichterketten aufgehängt und aus allen Einkaufszentren schallt es "ho, ho, ho" – das ist halt Amerika.
Seit Tagen ist Bernadette dabei, Weihnachtsgebäck und Christstollen zu backen. Unseren traditionellen Christbaum schlagen wir dieses Jahr natürlich selbst, denn die Wälder rings um unser Haus sind voll davon. An den Weihnachtsfeiertagen selbst bleiben wir "Zuhause". Die Bescherung fällt dieses Jahr allerdings etwas geringer aus. Für uns ist das kein Problem, denn allein die Tatsache, dass wir in solch einer Umgebung Weihnachten verbringen dürfen ist für alle Bescherung genug.
An einem der Feiertage haben wir viele Freunde eingeladen, die wir mit einem deftigen Festtagsbraten aus unserer Heimat bekochen. Jens, unser bayrischer Cowboy, wünscht sich einen Schweinsbraten mit Speckknödeln und Rotkraut. Serviert wie bestellt und selbst die Teller derer die keine bayrischen Wurzeln haben, waren anschließend ebenfalls pikobello sauber.
Pünktlich zu Weihnachten kommt der große Wintereinbruch über den Norden Arizonas. Es schneit soviel, dass am folgenden Tag kein Schulbus mehr fährt und Lindas Schule geschlossen bleibt. Auch die Temperaturen fallen während dieser Nacht tief in den Minusbereich. Doch im Laufe des Tages klart es sich allmählich auf und wir können wieder den gewohnten blauen Himmel über uns erblicken. Am darauffolgenden Wochenende machen wir einen Ausflug auf den knapp 2.200m hohen Mingus Pass. Dort finden wir ideale Bedingungen zum Schlittenfahren vor und haben reichlich Spaß dabei – was ja bekanntlich nicht nur den Kindern gefällt.
Gegen Ende Januar verabschiedet sich so langsam die kalte Jahreszeit und der Frühling hält Einzug. Nur auf den „San Franzisco Peaks“, nahe Flagstaff, liegt noch reichlich Schnee. Dort befindet sich das höchstgelegene Skigebiet Arizonas – es nennt sich „Snowbowl“. An zwei Wochenenden gönnen wir uns das Vergnügen und gehen Skifahren. Der gesamte Skizirkus in dieser Region ist kein Vergleich zu dem was wir aus der Alpenregion kennen. Die Pisten sind so gut wie leer, die Liftanlagen etwas veraltet aber dafür gibt es einen traumhaften Schnee. Gemütliche Skihütten oder ein Hauch von Après-Ski sind ebenfalls Fehlanzeige. Dies liegt hauptsächlich daran, dass sich das Skigebiet auf dem Land der Navajos befindet. Trotzdem haben wir viel Spaß und genießen die schöne Zeit in dieser winterlichen Berglandschaft.
Was wäre der Wilde Westen ohne das Reiten und seine Rodeos. In Wickenburg, südlich von Prescott gelegen, findet im Rahmen der „Gold Rush Days“ eines der größten Rodeos Arizonas statt. Erneut treffen wir uns mit mehreren Freunden um dem Spektakel beizuwohnen. In verschiedenen Disziplinen, wie Rinder einfangen oder auf Bullen reiten, werden die Sieger ermittelt. Ebenso finden verschiedene Reitvorstellungen statt, wo die Cowgirls und Cowboys ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Abgerundet wird die Veranstaltung am Abend mit einer s.g. „Tailgate Party“. Dabei sitzen wir auf den herabgelassenen Heckklappen der Pickups während wir Snacks und die passenden Getränke dazu genießen.
Auch Linda hat wieder mit dem Reiten begonnen. Während sie Zuhause eher das klassische Reiten erlernte, erfährt sie hier eine ganz andere Form im Umgang mit den Pferden. Auf der „Cottle Ranch“ in Williamson Valley werden die Erfahrungen des Pferdeflüsterers Pat Parelli und dessen Lehrmethoden im Umgang mit den Pferden vermittelt. Linda hat viel Spaß dabei und am Ende unseres Prescott Aufenthaltes legt sie erfolgreich die Prüfung des ersten Ausbildung Levels ab. Wir selbst haben die Gelegenheit eine Veranstaltung von Pat Parelli in Phoenix zu besuchen. Es ist beeindruckend, wie er mit den Pferden umgeht und ihnen in kürzester Zeit Dinge vermittelt, wozu ihre Besitzer z.T. über Jahre hinweg nicht im Stande waren.
Ein weiterer Bestandteil des "Wilden Westens" ist natürlich das Schießen – da haben die Kleinen wie auch die Großen ihren Spaß daran. In den umliegenden Wäldern und Wüstenregionen gibt es dafür reichlich Platz.
Ein weiteres verlängertes Wochenende verbringen wir mit vielen unserer Freunde am „Lake Alamo“, westlich von Phoenix. Es ist, wie soll es auch anders sein, ein Stausee inmitten der Wüste. Umgeben von Bergen und rundum bewachsen mit all den Pflanzen, die in dieser Wüstenlandschaft beheimatet sind. Da wir zwischenzeitlich Mitte April haben ist die gesamte Wüste am Blühen und erstrahlt in den buntesten Farben.
Mit dabei sind natürlich unsere "Offroad Fahrzeuge". Mit denen sind wir teilweise auf längeren Tagestouren durch die Wüste unterwegs. Am Spätnachmittag versucht sich Linda mit der Beschaffung des Abendessens – leider ohne Erfolg.
An Bernadettes Geburtstag geht es in unserer Hütte hoch her. Viele unserer Freude lassen es sich nicht nehmen, diesen Tag ausgiebig mit uns zu feiern.
Ein weiteres Highlight ist der Besuch des "Nascar Race" in Phoenix. Bewaffnet mit einem gut gefüllten Cooler und Klappstühlen machen wir uns auf den Weg zur Rennstrecke und ergattern einen super Platz auf dem „Rattlesnake Hill“. Von dort können wir das gesamte Oval bestens überblicken. Die Atmosphäre auf den Rängen ist fantastisch – das Benzin liegt förmlich in der Luft. Das Rennen selbst ist spannend und interessant. Wir bekommen Crashs, Neustarts und prickelnde Überholmanöver zu sehen.
Vielfach sind wir am "Watson Lake" unterwegs, der unmittelbar am Ortsrand von Prescott liegt. Eingebettet in mitten einer Granitfelsenlandschaft bietet der See rund ums Jahr ausreichend Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Auch beim Besuch von Rebekka unternehmen wir mit den Kajaks eine Tour über den See.
Zwischen Prescott und Flagstaff im Norden liegt inmitten roter Felskuppen, steilen Canyon-Wänden und Kieferwäldern das Städtchen Sedona. Die Stadt ist bekannt für ihr mildes Klima und die florierende Künstlerszene. Das Zentrum ist fest in der Hand von unzähligen und maßlos überteuerten New-Age-Läden, Spa´s und Kunstgalerien. Doch die Region rund um die Stadt hat auch für die Naturliebhaber reichlich an Freizeitaktivitäten zu bieten.
Das letzte Wochenende im Mai steht ganz im Zeichen einer großen Bye-Bye Party in unserem Haus. Viele unserer Freunde sind gekommen, um nochmal ordentlich mit uns zu feiern. Dies ist dann auch der Auftakt eines langen „Abschiednehmens“. So nach und nach werden wir von vielen Freunden und liebgewonnenen Menschen herzlichst verabschiedet. Zu guter Letzt geschieht dies auch an Lindas Schule. Nachdem das Schuljahr beendet ist, heißt es auch dort Lebewohl zu sagen. Linda fällt es sichtlich schwer, sich von ihren neuen Schulfreunden und den außerordentlich engagierten Lehrerinnen und Lehrern zu verabschieden. Sie hält sich tapfer – trotzdem ist die eine oder andere Träne nicht zu übersehen. Wir waren überhaupt sehr glücklich darüber, dass Linda in den vergangenen acht Monaten diese Schule besuchen durfte und dabei so viel Unterstützung erhielt.
Pünktlich zum vereinbarten Termin übergeben wir unser gemütliches Blockhaus wieder dem Maklerbüro. Nachdem alle Formalitäten erledigt sind schließt sich hinter uns die Haustüre zum letzten Mal. Jetzt ist der Moment gekommen, an dem wir wieder „auf der Straße stehen“. Mit unserem vollbepackten James fahren wir ein letztes Mal nach Prescott hinunter. Obwohl wir viele Angebote noch zum länger bleiben erhalten haben, entscheiden wir uns zur Abreise – es wäre sonst nur ein Abschied in Raten gewesen.
Es ist dunkel geworden, als wir unseren liebgewonnenen Flecken Erde und die vielen Freunde hinter uns lassen. Im Auto ist es ruhig, denn jeder von uns hängt seinen Gedanken nach. Die Straßen sind so gut wie leergefegt. Wir fahren an diesem Abend noch bis kurz vor Sedona und schlagen etwas abseits der Straße unser Nachtlager auf.
Noch während wir so vor dem Auto sitzen und den ereignisreichen Tag Revue passieren lassen, sehen wir am nächtlichen Wüstenhimmel eine Sternschnuppe über uns hinwegziehen – da darf man sich doch was wünschen!