2025 Afrika - Entlang der Westroute / Marokko (6)
Langsam aber sicher geht unsere diesjährige Überwinterungstour dem Ende zu – zuhause wartet jetzt der Frühsommer auf uns. Und nicht nur der. Auch unsere Tochter Linda und der Rest der Familie erwarten uns bereits zurück. Außerdem freuen wir uns auf unsere Freunde und Nachbarn. Nicht zu vergessen, die Freibadsaison beginnt. Auch verlangt unser Iveco nach etwas Zuwendung, die wir ihm "on the road" nicht zukommen lassen können – schließlich geht auch der kommende Sommer wieder einmal zu Ende.
Mit dieser 7-monatigen Reise wollten wir nach „Afrika“ reinschnuppern. Damit meinen wir nicht nur die Staaten des nordafrikanischen Maghreb, sondern vielmehr die weiter südlich gelegenen Länder. Von erfahrenen Afrikareisenden wurde uns gesagt: „...Afrika fängt erst ab dem Senegal an“. Stimmt, ab der senegalesischen Grenze wird die Landschaft grüner, die Menschen lebensfroher und deren Kleidung bunter. Die Wüstenregionen hat man hinter sich und die Vielfalt von Flora und Fauna nimmt deutlich zu. Wir haben viele Afrikareisende auf dieser Tour getroffen, die auf dem Weg nach Kapstadt sind oder von dort kamen. In den Gesprächen mit ihnen waren wir oft hin und her gerissen, ob wir nicht auch mit gleich durchfahren sollten. Schlussendlich gab es mehrere gute Gründe, warum wir dies aber nicht taten.
Nach einer ausgedehnten Mittagspause und einem kleinen Spaziergang durch die wunderschöne Dünenlandschaft, setzen wir unsere Reise fort. Tarfaya ist ein kleines Hafenstädtchen, das den Kanarischen Inseln bis auf etwa 120km nahe kommt. Nach wie vor hegen die Bewohner die Hoffnung, dass die Fährverbindung nach Fuerteventura wieder aufgenommen wird und so der Stadt etwas Wohlstand zurückbringt. Bereits 2016 gab es diese Verbindung schon einmal, die allerdings nach wenigen Wochen wieder eingestellt wurde. Wir parken den Iveco neben der ehemaligen französischen Bastion, die leider dem Verfall preisgegeben ist.
Nicht weit entfernt davon befindet sich das Museum des französischen Schriftstellers und Piloten Antoine-de-Saint-Exupéry. In Tarfaya war er 18 Monate lang Chef des Zwischenlandeflugplatzes, wo er u.a. den Bestseller „Der kleine Prinz“ schrieb. In dem kleinen Museum wird jedoch hauptsächlich auf das Leben von Saint-Exupéry als Pilot eingegangen. Er war 1926 Mitbegründer und Pionier der französischen Luftpost. Zu Beginn flog er nur nach Nordafrika. Später dann auch über den Atlantik bis nach Südamerika. Während des 2. Weltkrieges war er Pilot der französischen Luftwaffe und stürzte 1944 über dem Mittelmeer ab.
Ab Tarfaya ist die Straße 4-spurig und in einem Zustand, von dem wir in Deutschland nur träumen können. Bereits auf der Hinfahrt legten wir im „Khabta Nationalpark“ einen kurzen Stopp ein. Doch jetzt, wo im Norden des Landes immer noch die Schlechtwetterfront verbreitet ist, haben wir hier einen längeren Aufenthalt vorgesehen. Von unserem Platz aus können wir sehr gut den Gezeitenverlauf in der Bucht verfolgen. Ebenso machen wir schöne Wanderungen entlang der Steilküste. Leider sind so gut wie keine Zugvögel mehr zu sehen. Vermutlich sind sie schon längst wieder auf dem Weg nach Europa. Allerdings können wir uns von den lokalen Fischern das Abendessen schon mal „pfannenfertig“ vorbereiten lassen.
Von El Ouatia aus fahren wir an die Mündung der „Draa“. Hier mündet der mit etwa 1.100km längste Fluss Marokkos in den Atlantik. Nur wenige Wochen im Jahr, wenn der Fluss nach heftigen Regenfällen auch durchgehend Wasser führt, kommt hier überhaupt etwas an. Von oben erhalten wir tolle Einblicke zu beiden Seiten in das Draa-Tal. Während einer kleinen Wanderung an der Mündung des Flusses entdecken wir auch wieder ein kleines Wrack, das allerdings schon zur Hälfte im Sand verschwunden ist. Auch hier sind von den vielen Zugvögeln, die im Frühjahr eine Rast auf ihrer Reise in den Norden machen, leider keine mehr anzutreffen.
Unser nächstes Ziel ist die andere Seite der „Draa Mündung“. Hierfür folgen wir ein langes Stück dem Fluss, bis wir auf eine Brücke treffen. Auf dem Weg zur Küste übernachten wir in dem wunderschönen „Ksar Tafnidilt“, der allerdings nur über eine Sandpiste zu erreichen ist. Unübersehbar ist auch, dass hier vor nicht allzu langer Zeit noch das Wasser stand. Als „Ksar“ werden mehrere und zusammenhängende Wohneinheiten im berberischen Stil bezeichnet, die mit einer Lehmmauer umzogen sind. Die sehr stilgetreu restaurierte Anlage, beinhaltet neben mehreren Hotelzimmern und einem Restaurant mit Bar, auch eine größere Stellfläche für Camper. So treffen sich hier viele Offroader die an den „Plage Blanche“ fahren wollen oder von dort kommen.
Auch wir machen uns mit Reisebekannten auf den Weg an die Steilküste des Plage Blanche. Hauptsächlich geht es über Sand- und Schotterpisten durch Teile des trockenen Flussbetts der Draa. Dabei legen wir nicht nur Fotostopps für wilde Esel und neugierige Kamele ein, sondern gehen auch zum Einsammeln von nicht alltäglichen „Souvenirs“ vom Gas. Begleitet werden wir von einem permanenten Starkwind, der die Sicht z.T. doch sehr einschränkt.
Ab der „Draa Mündung“ folgen wir jetzt der teilweise sehr schroffen Steilküste gen Norden. In regelmäßigen Abständen passieren wir dabei Militärposten, die sich allerdings nicht sonderlich für uns interessieren. Etwas problematischer hingegen stellen sich die frischen und ständig wandernden Sanddünen für uns heraus. Nicht nur, dass sie den Weg unpassierbar machen, sie zwingen uns des Öfteren auch zur Suche nach neuen Tracks.
Beim starkem Wind kommen wir am Plage Blanche, dem "Weißen Strand", an. Die anstehende Nacht verbringen wir windgeschützt hinter ein paar großen Felsen in einem trockenen Flussbett. Nachdem sich am Morgen der starke Wind einigermaßen gelegt hat, warten wir auf den geeignetsten Zeitpunkt um auf den Strand fahren zu können. Idealerweise liegt der hier bei etwa 90 Minuten vor der Ebbe. So bliebe jedem Fahrer genügend Zeit, sich im Falle eines „Eingrabens“ im Sand, vor der auflaufenden Flut noch zu befreien. Zunächst reduzieren wir den Reifendruck und suchen uns dann die perfekte Zufahrt über die davorliegenden Dünen. Mit eingelegter Untersetzung und Mittelsperre fahren wir jetzt mit viel Schwung und erhöhter Drehzahl auf den Strand hinaus.
Nun gilt es, die ideale Fahrspur zu finden. Diese befindet sich in aller Regel dort, wo der Sand am härtesten ist und am besten das Gewicht des Fahrzeuges trägt. Über mehrere Kilometer folgen wir jetzt dem doch recht unterschiedlich beschaffenen und tragenden Küstenabschnitt. Anders noch wie in Texas, als wir 2019 den Strand von „Corpus Christi“ befuhren, gibt es hier immer wieder Weichsandpassagen. Leider sind die nicht immer sofort zu erkennen. Nach etwa 30 Minuten haben wir genug im „Sandkasten“ gespielt und fahren dieselbe Strecke wieder zurück. Nach dem anfänglich doch etwas erhöhten Adrenalinausstoß, übernimmt jedoch sehr schnell der Spaßfaktor die Oberhand.
Knapp hinter der Küste treffen uns erneut die Sandstürme, die teilweise nicht nur die Fahrt erschweren, sondern auch die Sicht deutlich verringern. Doch ab Guelmim legt sich so langsam der Wind wieder und wir können die Fahrt durch die ersten Ausläufer des "Anti-Atlas" bei bester Sicht genießen.
In dem kleinen Oasenörtchen Icht besuchen wir den alten Teil des Dorfes. Leider ist ein Großteil der Häuser bereits verfallen und nur noch wenige Menschen leben hier. Durch ein cleveres Bewässerungssystem, wird das kostbare Nass aus dem nahegelegenen Anti-Atlas hierher geleitet. Deshalb ist es fast das ganze Jahr über möglich, hier Ackerbau und Viehzucht zu betreiben.
Mit einem ortsansässigen jungen Mann gehen wir durch das Dorf und er zeigt uns neben der alten Moschee, auch das ehemalige Haus seiner Großeltern. Er erklärt uns ausführlich, wie sein Großvater hier mit mehreren Frauen und den Kindern zusammenlebte.
Eher zufällig erfahren wir von den beiden „Agadiren“ bei Amtoudi – also fahren wir hin. Über einen gut zu begehenden Trampelpfad geht es hoch zum „Agadir Id Issa“, der über dem Ort thront. Wir nehmen uns viel Zeit und schauen uns fast jeden Winkel der etwa 900 Jahre alten Speicherfestung an. Überall wurden Kammern in den Fels gehauen oder kleine Steinhäuser innerhalb der Festung gebaut, die als Vorratskammern dienten. Selbst die Dächer wurden so konstruiert, dass das Regenwasser gut gesammelt werden konnte. Ebenso waren reichlich Bienenstöcke vorhanden. Dank der guten Rundumsicht, war dieser Agadir nur schwer einzunehmen.
Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg in den „Amtoudi Canyon“. Vorbei an dem gleichnamigen Dorf folgen wir dem Wadi immer tiefer in die Schlucht hinein. Unübersehbar, dass hier das herabstürzende Wasser und das Geröll seine Spuren hinterlassen hat. Über mehrere Kilometer geht es nun stetig nach oben. Flankiert wird der Canyon von fast hundert Meter hohen Wänden die im weiteren Verlauf immer enger werden. Im oberen Bereich sind sehr gut die ausgespülten Felsen mit ihren tiefen Löchern zu sehen, die die Kraft des Wasser in Jahrtausenden hinterlassen hat.
Auf unserem Rückweg machen wir noch einen Abstecher in die 2. Speicherfestung des Tales, den „Agadir N´Aguellouy“. Imposant ragt der kleinere der beiden Agadire gen Himmel und entsprechend steil geht es auch nach oben. Auf engstem Raum ist alles noch kompakter verbaut – aber es fehlt an nichts. In beide Richtungen können wir wieder die tollen Ausblicke genießen.
Über kleine und kurvige Straßen, vorbei an verfallenen Berberdörfern, fahren wir zum „Aoukerda Canyon“. Die Fahrt macht mächtig Spaß, da auch das Wetter sich von seiner besten Seite zeigt. Von der Schönheit und der Einzigartigkeit dieses Canyons haben wir im Vorfeld schon vieles gelesen. Das was wir aber zu sehen bekommen, übertrifft jedoch unsere ganzen Vorstellungen
Aoukerda – das Ahrtal Marokkos:
Wie nahe doch Naturschönheiten und Tragödien beieinander liegen, ist im unteren Teil dieser tollen Schlucht, in dem kleinen Dorf Aoukerda sehr gut zu sehen. Es ist beeindruckend, wie sich die Straße den wunderschönen Canyon entlang hinunter in das Dorf schlängelt – in den Reiseführern auch als „Kleiner Grand Canyon“ bezeichnet. Eine Landschaft, die im Südwesten der USA nicht schöner sein kann. Hinter den wenigen Häusern des Ortes, laufen durch die tiefen Schluchten des „Anti-Atlas“ mehrere trockene Flussbetten (s.g. Wadis) zusammen. Gesäumt werden die unteren Wadis von einer wunderschönen Oase – aber leider nur bis zum 08. September 2024. Aufgrund tagelanger und massiver Regenfälle in den umliegenden Bergen, wälzte sich an diesem Tag eine enorme Schlamm- und Gerölllawine durch die Wadis rund um und durch das Dorf Aoukerda. Sie riss alles mit, was sich ihr in den Weg stellte. Die Häuser die nicht mitgerissen wurden, sind danach größtenteils unbewohnbar. Für 12 Bewohner kam jede Hilfe zu spät und bis heute werden noch mehrere Menschen vermisst. Erschwerend kam hinzu, dass Hilfe erst Tage später eintreffen konnte. Mehrere Kilometer der Zufahrtsstraße waren einfach weggeschwemmt oder verschüttet. Sie mussten erst mit schwerem Gerät geräumt werden. So steht heute das kleine Dorf Aoukerda in Marokko für das Ahrtal in Deutschland. Nur mit dem feinen Unterschied, dass in Deutschland eine nie zuvor dagewesene Hilfs- und Spendenbereitschaft entbrannte – in Marokko kennt kaum jemand das Dorf Aoukerda. Was bleibt, ist nach wie vor der imposante Canyon, eingebettet in eine grandiose Landschaft des Anti-Atlas. An dessen unteren Ende sich das kleine Dorf Aoukerda befindet, wo ein paar wenige Menschen versuchen ihr Schicksal zu meistern.
Auf einer kleinen von Geröll geräumten Fläche parken wir den Iveco, unmittelbar vor dem Dorf – besser ausgedrückt, von dem was noch steht. Mit einem flauen Gefühl im Magen gehen wir durch den Ort. Außer einem älteren Herrn und einem schreienden Esel ist niemand zu sehen – alles um uns herum wirkt sehr gespenstisch. Wir können aber auch erkennen, dass bereits an dem ein oder anderen Haus wieder begonnen wurde zu renovieren. Zumindest so, dass man notdürftig drin wohnen könnte. Am ersten Wadi unterhalb des Dorfes gibt es einen Durchbruch durch die Felswand, an dessen Ende sich ein tiefer gelegener Wadi befindet. Wer hier durchging, wurde früher mit einem traumhaften Blick auf eine Oase belohnt. Was sich uns jetzt bietet ist das Bild der Zerstörung, die die Schlamm- und Gerölllawine hinterlassen hat. Auf dem Rückweg bleibt bei uns das Gefühl von Hilflosigkeit und großer Demut.
Nachdem wir die provisorische Schotterstraße wieder hinter uns haben, finden wir nur wenige Kilometer oberhalb von Aoukerda einen fantastischen Nachtplatz – die Aussicht in den davorliegenden Canyon ist einfach nur atemberaubend. Nichts deutet hier noch auf die Naturkatastrophe hin, die sich nur wenige Kilometer entfernt ereignet hat.
Auf der Fahrt nach Tafraoute, machen wir noch einen kleinen Schlenker durch den „Gorge d´Ait Mansour“. Zu Beginn schlängelt sich die schmale Straße über enge Serpentinen hinunter in die Schlucht. Dort erwartet uns eine wunderschöne Oase. Über viele Kilometer hinweg folgen wir jetzt der mit Dattelpalmen gesäumten Straße. Immer wieder können wir dabei Ausblicke auf die roten Felswände zu beiden Seiten erhaschen – herrlich.
Vorbei an einem verfallenen Berberdorf sowie fantastischen Formationen die die Erdgeschichte hinterlassen hat, geht es weiter durch den Anti-Atlas. Für ein paar Tage verweilen wir etwas außerhalb von Tafraoute auf einem großen, wüstenähnlichen Areal. Es liegt am Fuße einer niederen Gebirgskette die zum Wandern geradezu einlädt. Mehrere kleine Wadis durchziehen das Gelände und auch ein paar schattenspendende Palmen sind vorhanden. Aufgrund der kurzen Distanz zum Ort erledigen wir zu Fuß unsere Einkäufe, lassen die gesamte Wäsche waschen und gehen mehrmals leckere Tajin essen – der Ramadan ging gerade vorüber.
Die Kunstwerke der "Blauen Felsen" am anderen Ende von Tafraoute, besuchen wir diese Mal nicht mehr. Diese hatten wir uns bereits Anfang Dezember während einer ausgedehnten Wanderung sehr ausführlich angeschaut.